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Das bietet Kassel: Sport für Menschen mit Sehbehinderung

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Laufen mit Sehbeeinträchtigung? Das funktioniert! Laufen mit Sehbeeinträchtigung? Das funktioniert! Michael Bald

6. Juni: Sehbehindertentag

In Deutschland ist der Sehbehindertentag ein nationaler Aktionstag. Er wurde 1998 vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) ins Leben gerufen und steht unter dem Motto „Ich sehe so wie du nicht siehst“. Jedes Jahr am 6. Juni soll auf die Situation und die Belange von Menschen mit Sehbehinderung aufmerksam gemacht werden.

„Ich sehe so wie du nicht siehst“ lautet das Motto. Dass auch Sport mit einer Sehbehinderung überhaupt kein Problem sein muss und welche Angebote es speziell in der Stadt Kassel gibt, darauf wollten wir als Sportkreis Region Kassel in diesem Jahr aufmerksam machen. Auch bei dieser Veranstaltung unserer Serie „Sport mit Beeinträchtigungen – Kassel inklusiv! Sportlich bewegt in die Zukunft“ hatten wir wie immer die Stadt Kassel als Partner an unserer Seite. „Rund 20 Prozent der Einwohner Kassels haben eine Behinderung. Als Stadt wollen wir Inklusion daher unterstützen“, erklärte Alem Andezion vom Sozialamt der Stadt Kassel zur Begrüßung.

Als gastgebender Verein öffnete die Behindertensportgemeinschaft (BSG) Kassel 1951 e.V., vertreten durch ihre Vorsitzende Vanessa Klinger, am Dienstag zum Sehbehindertentag dann nicht nur ihre Halle in der Fuldaaue und stellten ihre sportlichen Angebote vor. Vanessa Klinger organisierte auch ein Mitmachangebot: Gleichgewicht halten auf Balancekissen und den Stepper als Hindernis überwinden. Alle Sehenden mussten dabei natürlich eine Augenbinde aufziehen.

Für unsere Info- und Mitmachveranstaltung konnten wir außerdem Sportlerinnen und Sportler sowie beratend tätige und engagierte Kasseler gewinnen, die ihre Erfahrungen mit uns teilten. Mit von der Partie waren Karsten Kohlhaas aus der Kasseler Geschäftsstelle des Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e.V., Petra Willich von Selbstbestimmt Leben in Nordhessen e.V. (SLIN), Parasportler Noah Laabs sowie Dirk Stoll mit dem Projekt „Blindenguide“.

Anlaufstelle: Beratung und Tipps

Welche Hilfsmittel es für Menschen mit Sehbehinderung im Alltag gibt und welche Anträge es lohnt auszufüllen, darüber informiert und berät Karsten Kohlhaas vom Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen (BSBH). Er sitzt in der Kasseler Geschäftsstelle in der Wilhelmshöher Allee 123A. Seit einem Motorradunfall vor beinahe 20 Jahren beträgt sein Sehvermögen nur noch knapp vier bis sechs Prozent. Damals war er mit vielen Herausforderungen konfrontiert, bei denen er in Behörden nur wenig Hilfe bekam, einfach weil die Mitarbeiter dort ebenfalls keine Ahnung hatten oder höchstens mit „gefährlichem Halbwissen“ ankamen, wie Kohlhaas erzählt. „Deshalb habe ich mich selbst weitergebildet und zum Berater qualifiziert.“ In der Geschäftsstelle können Hilfsmittel ausprobiert werden und es gibt nützliche Hinweise. Zum Beispiel: Bildschirmlesegeräte für Menschen mit Sehbehinderung übernimmt die Krankenkasse. „Die meisten großen Sachen gibt es von der Krankenkasse.“ Auch Trainings werden vom BSBH angeboten. „Damit die Leute rauskommen, Wege erledigen können.“ Dabei werde auch immer auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen. „Blind ist nicht nur, wenn es schwarz vor Augen ist. Es gibt verschiedene Abstufungen.“

Erfahrungsbericht einer Sportlerin

Petra Willich ist Vollblind. Sie arbeitet bei Selbstbestimmt Leben in Nordhessen e.V. (SLIN), die in einer Lotsenfunktion Fragen rund um Teilhabe beantwortet. „Wir beraten den Landkreis und die Stadt.“ Seit neun Jahren ist Petra Willich außerdem im Casseler Frauen Ruderverein e.V. Mitglied und aktive Sportlerin. Als sie in den 1980ern nach Kassel kam, sei das undenkbar gewesen. Sie erinnert sich noch an eine Erfahrung, von der ihr jemand erzählte. So war ein angefragter Ruderverein nicht bereit für Sportler mit Sehbehinderung, aus Angst vor dem was passiere, wenn das Boot kentert. Auch Petra Willich bemühte sich zuerst vergeblich um Teilhabe. Dann wurde sie irgendwann im Bus von einem Trainer angesprochen. Seitdem rudert sie und gab nun auch einen humorvollen Einblick in ihr Hobby. „Beim 24-Stunden-Rudern wollte mich jemand, weil es dunkler wurde, zum Steg bringen. Also habe ich geantwortet: Meinst du, es wird heller, wenn du mitgehst?“, erzählt sie. Dass sie sich im Dunklen besser fortbewegen könne als Sehende, „daran denken gar nicht so viele“.

Nachwuchsprofi: Erfolgreicher Sportler im Tischtennis

Er tritt als Para-Sportler für den TTC Elgershausen an und spielt im Normalsport für den nordhessischen Bezirksoberligisten Homberg. Die Rede ist von Noah Laabs. Im Gespräch mit Heike Sokoll vom Sportkreis Region Kassel berichtete der 14-Jährige vom Irlen-Syndrom. Denn Noah Labs Augen sind besonders Lichtempfindlich, weshalb er eine spezielle Sonnenbrille trägt. „Entdeckt wurde das in der vierten Klasse, als wir am Tablet arbeiten sollten.“ Ihn schmerzte aber das Licht in den Augen. Vom Sport hielt ihn das nicht ab. Wie sein Vater spielte er zuerst Tennis, entdeckte aber im Urlaub den Tischtennissport für sich. „Ich bekomme so viel Unterstützung von allen Seiten.“ Von den Eltern, die ihn überall hinfahren, und von den Trainern, die ihm die Technik beibringen. „Wer Sport machen will, sollte es tun und niemals aufgeben“, rät er. Ob er einen besonderen Wunsch habe? „Irgendwann bei der Olympiade teilnehmen, wäre schon toll.“

Laufen am Band: Laufprojekt

„Eigentlich ist es ein Corona-Produkt“, sagt Dirk Stoll. Der Marathon-Pfarrer, der selbst über langjährige Lauferfahrungen verfügt, wollte Blinden und Sehbeeinträchtigten Menschen über sogenannte Blindenguids die Teilhabe am Laufen und Walken ermöglichen. Über ein Band sind die beiden Laufenden dabei verbunden. Unterstützung bei diesem Projekt bekam er in der jüngsten Vergangenheit nicht nur von uns als Sportkreis, dem Laufteam Kassel e.V. sowie dem Kassel-Marathon und der Kirche, auch das Guide Netzwerk Deutschland, ein Netzwerk für blinde Sportler und Sportlerinnen sowie Guides, stehen hinter der Idee von Dirk Stoll. Wie gut das Angebot ankommt, davon berichtete Isabella Groh. Sie hat eine Sehbehinderung, die sich immer weiter verschlechtert. „Allein Sport machen, das funktioniert nicht mehr“, sagt die 27-Jährige. Ihre Mutter machte sie dann auf das Blindenguide-Projekt von Dirk Stoll aufmerksam und seit etwa drei Monaten trainieren sie zusammen. Unter anderem werden sie als Teil einer Staffel beim Kassel-Marathon an den Start gehen.

Veranstaltungsreihe: „Sport mit Beeinträchtigungen?! Kassel inklusiv!“

Inklusion im Sport ist ein zentrales Thema unserer Gesellschaft. Es geht nicht nur um Teilhabe, sondern auch um ein gesundes und aktives Leben. Möglich ist das auch mit körperlichen Beeinträchtigungen. Das zeigen die zahlreichen Angebote unserer Vereine in und um Kassel. Wie breit das Sportangebot bei uns ist, darauf möchten wir als Sportkreis Region Kassel aufmerksam machen.

Anlässlich der verschiedenen Aktionstage (Tag des Hörens, Tag der Rückengesundheit, Sehbehindertentag etc.) organisieren wir mit unseren Vereinen zusammen Mitmachaktionen. Weitere Kooperationspartner kommen aus Verbänden und dem Gesundheitswesen. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe vom Sportamt der Stadt Kassel.

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